Future World

Bedrückendes Flüchtlingsdrama am Gymnasium Stein

Oberstufentheater bringt das Thema Flüchtlingspolitik auf die Bühne und spendet einen Teil der Einnahmen der Flüchtlingshilfe der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Stein

„Wir sind nicht Kakerlaken, wir sind nicht Ratten, wir sind nicht Dreck, wir sind Menschen! Wir wollen leben wie Menschen, und wollen haben, was uns zusteht, weil wir Menschen sind.“ 

In diesem Zitat aus Gerhard Meisters Drama „Amerika“ steckt viel verdrängte Wahrheit. Wenn die Welt über menschliche Schicksale spricht, geschieht das meist nicht emotional oder gar an individuellen Beispielen, sondern man anonymisiert die persönlichen Tragödien, wertet sie verbal ab („Asyltouristen“) und versteckt sie in Zahlen: „Wieder 200 Menschen während ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken.“ 

Diese Aussage ist faktisch richtig, aber sie verschleiert das Leid jedes Einzelnen, negiert die Mitschuld, die auch Europa an diesem Schicksal hat.

Das Ensemble des Oberstufentheaters am Gymnasium Stein brachte mit seiner Inszenierung „Future World“ nach Gerhard Meisters Drama das Thema „Flüchtlingspolitik“ facettenreich auf die Bühne. In den Vorstellungen am 18. und 19. Februar 2019 gingen die Schüler*innen auf alle wesentlichen Aspekte dieses komplexen Themas ein: die Gründe für die Migration, das Ausnutzen der Flüchtlinge durch Schlepper und Händler, das persönliche Leiden und Sterben auf der Überfahrt, aber vor allem auch die (Un-) Willkommenskultur in den „Traumländern“, wo die Flüchtlinge nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern vor allem abgelehnt, mit Vorurteilen betrachtet, ausgegrenzt und wieder verfolgt werden, sodass sie bis zum Schluss an die Grenzen ihrer Menschlichkeit getrieben werden, statt endlich das sein können, was sie sind: Menschen.

Bei der Flüchtlingspolitik geht es letztlich nicht um die offizielle Frage nach dem Umgang mit den Migranten, also um die Frage nach Integration oder Abschiebung, sondern um die persönlichen Schicksale und den Umgang jedes Einzelnen von uns mit diesen: Sehen wir den Menschen, der vor uns steht? Wollen wir ihn überhaupt sehen? Wie reagieren wir? Reagieren wir überhaupt? Es geht hier um nicht weniger als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts!

So ist eine Inszenierung entstanden, die inhaltlich zeitlos und zugleich hochaktuell ist, die durch ihre absurden Brechungen und ästhetischen Stilisierungen dem Stoff an vielen Stellen seine Härte nahm, ohne diese zu verharmlosen oder den Inhalt in Frage zu stellen, gleichzeitig aber auch den Irrsinn des Ganzen verdeutlichte.

Auf diese Weise gelang es der Gruppe, ihrem Publikum durchgehend einen Spiegel vorzuhalten: Der Zuschauer wurde mit den populistischen Äußerungen des Alltags im Angesicht des Elends der Flüchtlinge konfrontiert und damit dazu gezwungen, sich und seine Einstellung zum Thema Flüchtlingspolitik permanent kritisch zu hinterfragen.

Wie groß die Wirkung des Stücks auf das Publikum war, wurde nach den Aufführungen deutlich: Im Saal herrschte eine gedrückte und nachdenkliche Stimmung. Vielen Zuschauern war anzumerken, dass sie das Stück sichtlich mitgenommen und nachhaltig beeindruckt hat.

Das Thema hat auch die Theatergruppe selbst geprägt: Die Schüler*innen haben sich entschieden, einen Großteil ihrer Spendeneinnahmen bei den Aufführungen der Flüchtlingshilfe der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Stein zu spenden.

Pfarrer Reiner Redlingshöfer und zahlreiche weitere Ehrenamtliche der Flüchtlingshilfe wohnten nicht nur der Vorstellung bei, sondern freuten sich auch über 350 €, die im Rahmen einer Spendenübergabe am 27. Februar 2019 durch die Spieler*innen erfolgte.